Viermal im Jahr laufen Terminkontrakte wie Futures und Optionen aus und versetzen die großen Derivatebörsen in einen Ausnahmezustand. Aber was hat es mit dem sogenannten Hexensabbat eigentlich auf sich? Und was kannst du als Anleger beachten?
Ein paar Wochen sind es noch, dann ist der 18. Juni 2021. Das zweite Quartal neigt sich dem Ende entgegen – und die Hexen feiern zum zweiten Mal in diesem Jahr Sabbat. Naja, zumindest im übertragenen Sinne, denn eigentlich beschreibt der Hexensabbat in der Hexentheorie nur ein regelmäßiges, geheimes und nächtliches Treffen. Für Börsianer hat der Begriff allerdings eine etwas andere Bedeutung: Es ist der Tag, an dem an den weltweit größten Terminbörsen die Terminkontrakte, also Futures und Optionen, verfallen.
Der Tag der Entscheidung
Der Hexensabbat findet immer am dritten Freitag im dritten Monat des Jahres statt, also immer am Ende des Quartals und somit viermal im Jahr. Ist dieser Freitag ein Feiertag, wird der Hexensabbat auf den Börsentag davor vorgezogen. An der weltweit größten Terminbörse Eurex (European Exchange) verfallen an diesem Tag um 12 Uhr zunächst die Derivate der Stoxx-Familie, um 13 Uhr folgen die Futures und Optionen auf den Dax und den TecDax, fünf Minuten später jene auf den MDax. Erst gegen Ende des Handelstags um 17.30 Uhr verfallen Optionen und Futures auf einzelne Aktien. Zu den jeweiligen Zeitpunkten werden die Aktienkurse und Preise eingefroren und dienen dann als offizielles Maß für alle an diesem Tag auslaufenden Termingeschäfte. In der Fachsprache nennt sich dieser Vorgang „Fixing“.
Tauziehen sorgt für Kursschwankungen
Aber wie sehen die Termingeschäfte, die an diesem Tag verfallen, eigentlich genau aus? Bei sogenannten Futures beispielsweise handelt es sich um ein Termingeschäft, bei dem ein Händler dem anderen verspricht, einen bestimmten Vermögenswert (z.B. eine Aktie oder einen Index) zu einem bestimmten Zeitpunkt und zu einem vorher festgelegten Preis zu verkaufen, während das Gegenüber versichert, diesen Vermögenswert zu kaufen. Optionen funktionieren ähnlich, nur kann der Käufer entscheiden, ob er zu dem vorher vereinbarten Preis kaufen möchte oder nicht. Für diese Möglichkeit muss er dem Verkäufer allerdings eine Prämie zahlen. (Natürlich gibt es Futures und Optionen, wie alles an der Börse, in beide Richtungen: zum Kaufen eines Vermögenswerts und zum Verkaufen.)
Beide Formen der Geldanlage gelten als eher risikoreich und erfordern einen gewissen Grad an Erfahrung der partizipierenden Investoren. Allerdings lassen sich so auch hohe Gewinne einfahren – je nachdem, wie die jeweiligen Kurse am entscheidenden Tag stehen. Es ist also ein Geschäft, an dem das Timing eine große Rolle spielt. Und genau deshalb geht es am Hexensabbat so hoch her. Denn die großen Marktteilnehmer, die Termingeschäfte abgeschlossen haben, versuchen, den Preis unmittelbar vor der entscheidenden Deadline zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Das Ziel: mit diesen Derivaten so viel Gewinn zu machen wie möglich oder zumindest Verluste zu begrenzen. Sie kaufen und verkaufen im großen Stil Aktien. Leute, die auf die entgegengesetzte Richtung spekuliert haben, halten dagegen. Dieses Tauziehen lässt die Kurse so unberechenbar schwanken.
Was Anleger am Hexensabbat beachten sollten
Für Anleger ist es gar nicht so einfach, bei derart hoher Volatilität die Ruhe zu bewahren. Doch genau das ist wichtig. Als Kleinanleger kann man den Markt sowieso nicht beeinflussen, daher ist Panik alles andere als ein guter Gefährte. Am besten: zurücklehnen und warten, bis der Spuk vorbei ist. Wer eine Stop-Loss-Order gesetzt hat, um hohen Verlusten zu entgehen, sollte den Abstand zum Kurs überprüfen, um in einer Phase extremer Kursschwankungen nicht automatisch zu verkaufen. Das wäre ärgerlich, schließlich würde dieser Verlust nicht wegen negativer Nachrichten oder des wirtschaftlichen Zustands eines Unternehmens verursacht, sondern nur wegen des ungewöhnlichen Handels am Hexensabbat.
Anleger können den Tag aber auch als günstigen Einstiegs- oder Ausstiegszeitpunkt nutzen: Einfach eine limitierte Kauf- oder Verkaufsorder erstellen, bei der das Limit recht weit vom aktuellen Preis entfernt ist. Mit etwas Glück wird die Order ausgeführt und du wirst eine ungeliebte Aktie zu einem guten Preis los oder kaufst eine begehrte Aktie billig ein. Es gibt natürlich keine Garantie, dass das funktioniert – aber an keinem anderen Tag ist es so wahrscheinlich wie am Hexensabbat.
Warum eigentlich „Hexensabbat“?
Warum der Tag diesen Namen hat, ist nicht ganz geklärt. Die Tatsache, dass die Börse an diesem Tag gerne ein bisschen verrückt spielt, könnte zu der Bezeichnung geführt haben. Oder es liegt doch daran, dass die letzte Stunde vor der Deadline auch als Geisterstunde bezeichnet wird, die ganz besonders von Kursschwankungen geplagt ist. Und das, obwohl es zu den meisten Unternehmen gar keine relevanten Nachrichten gibt. Trotzdem wird am Hexensabbat üblicherweise deutlich mehr gehandelt als an anderen Tagen.
Es gibt auch noch eine kleinere Version des Hexensabbats, nämlich den kleinen Verfallstag der Optionen auf Aktien und Indizes. Der findet jeden Monat am dritten Freitag statt. Er ist allerdings weniger volatil als der Hexensabbat.
Autoren: Anna Lena Lipka, Tim Holzapfel
Fotoquelle: Photo by Content Pixie on Unsplash