Aus der Serie: GuV und andere Bilanzkrankheiten
Alle drei Monate veröffentlichen Unternehmen einen Quartalsbericht. Sie helfen mitunter dabei, gute Entscheidungen bei der Geldanlage zu treffen. Gerade Anfänger tun sich allerdings schwer, aus den Bilanzen wirklich schlau zu werden.
Die Dinger können schließlich ganz schön trocken und kompliziert sein. Aber keine Sorge: Wir erklären hier alles Schritt für Schritt, von der Pike auf. Und fangen erst einmal ganz easy an. Ein paar Posten – die besonders für Investoren wichtig sind – wirst Du nämlich in fast jedem Quartalsbericht sowie in der Pressemitteilung dazu finden. Das musst Du zu ihnen wissen.
Kleines Grundwissen im Voraus: GuV vs. Bilanz
Wenn Du neu im Thema bist, ist Dir vielleicht nicht klar, was der Unterschied zwischen der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) und der Bilanz ist. Die kurze Antwort: Die GuV ist ein Teil der Bilanz. Die lange Antwort: Die Bilanz bildet alle Bestände eines Unternehmens ab, umfasst also alle Vermögenswerte (Aktiva), sowie Eigen- und Fremdkapital (Passiva). Die GuV ist ein Unterkonto des Eigenkapitals, da sie genau aufzeigt, wie dieses Eigenkapital innerhalb eines gewissen Zeitraums zustande gekommen ist. Pressemitteilungen zu Geschäftsberichten beziehen sich daher in der Regel auf die GuV.
Die wichtigsten Posten der GuV
#1 Der Umsatz
Ich weiß, ich weiß, das ist jetzt schon sehr basic. Aber wir wollen ja alle zusammen bei Null anfangen. Also: Der Umsatz ist der Ausgangspunkt für die gesamte Gewinn- und Verlustrechnung (GuV). Er beschreibt die Summe aller Einnahmen, die ein Unternehmen erzielt. Von organischem Umsatzwachstum spricht man, wenn die Erlöse des Unternehmens aus eigener Kraft wachsen. Übernahmen, Zukäufe etc. werden hier nicht berücksichtigt, sie sind Teil des anorganischen bzw. externen Wachstums. Übrigens: Wundere Dich nicht, wenn Du mal von Brutto- und mal von Nettoumsätzen liest. Zur Erklärung: Der Nettoumsatz berechnet sich, indem vom Bruttoumsatz Rabatte, Gutschriften etc. abgezogen werden. By the way: Umsatz, Umsatzerlöse, Erlöse – diese Begriffe werden in der Berichterstattung oft synonym verwendet. Das kommt daher, dass Du als ersten Posten in der GuV meist die Umsatzerlöse (=Nettoumsatz) finden wirst. Um mögliche Verwirrungen auszuschließen: Es gibt auch das Bruttoergebnis vom Umsatz, das Du in einigen GuVs als nächsten fett markierten Posten unter den Umsatzerlösen findest. Das wiederum ergibt sich, wenn vom Nettoumsatz die Herstellungskosten (Material, Personal etc.) abgezogen wird.
#2 Ebitda
Der nächste wichtige Posten nach dem Umsatz ist das Ebitda – ein Akronym für „Earnings before Interest, Taxes, Depreciation and Amortisation“. Zu deutsch „Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und sonstigen Abgaben“. Das Ebitda hat allerdings noch wenig mit dem „echten Gewinn“ (siehe unten) zu tun. Denn wie der Name schon sagt, wurden Zinsen, Steuern, Abschreibungen und sonstige Abgaben noch nicht in die Berechnung miteinbezogen. Das Ebitda gibt dadurch aber einen Hinweis darauf, wie rentabel die operative Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ist. Zudem lässt sich damit die Profitabilität verschiedener Firmen aus dergleichen Branche vergleichen, da gewisse Buchhaltungs- und Finanzentscheidungen für diese Kennzahl irrelevant sind. Oft wirst Du in Geschäftsberichten über das sogenannte Adjusted bzw. bereinigte Ebitda stoßen. Aus diesem wurden Sondereffekte oder außerordentliche Kosten herausgerechnet. Hier ist große Vorsicht geboten: Denn was als Sondereffekt oder außerordentliche Kosten gilt, liegt im Ermessensspielraum des Unternehmens. Daher ist diese Kennzahl nur bedingt aussagekräftig.
#3 Ebit
Das Ebit ist die nächste Stufe. Ebit steht, wie sollte es anders sein, für „Earnings before Interest and Taxes“, oder auch „Gewinn vor Zinsen und Steuern“. Abschreibungen und sonstige Abgaben („Depreciation and Amortisation“, das „da“ in „Ebitda“) sind nun enthalten. Das Ebit sagt aus, wie erfolgreich ein Unternehmen mit seinem tatsächlichen Geschäft ist, oder anders formuliert: wie hoch die operative Ertragskraft ist. Synonym für Ebit werden oft die Begriffe „operatives Ergebnis“, „Betriebsergebnis“ oder „operativer Gewinn“ verwendet. Aber Vorsicht: Letzteres ist eigentlich falsch: Der operative Gewinn ist der Gewinn, der sich aus dem absoluten Kerngeschäft ergibt – Gewinne werden mitunter aber auch anders erwirtschaftet, beispielsweise durch den Verkauf von Fabrikgeländen. Dieser würde ins Ebit miteinfließen, in den tatsächlichen operativen Gewinn nicht. Also: Genau hinschauen lohnt sich.
#4 Ebt
Ebt bezeichnet den Gewinn vor Steuern („Earnings before Taxes), auch Vorsteuergewinn. In den meisten Branchen kommt ihm weniger Bedeutung zu als dem Ebit. Er hat allerdings den Vorteil, Unternehmen desselben Sektors aus unterschiedlichen Ländern miteinander vergleichen zu können, da abweichende Steuersätze vernachlässigt werden.
#5 Nettogewinn
Endlich. Wir sind beim tatsächlichen Gewinn angekommen. Der Nettogewinn, auch Reingewinn, Gewinn nach Steuern, Überschuss, Periodengewinn oder Konzernergebnis genannt, ist das, was am Ende der Gewinn- und Verlustrechnung unterm Strich vom Umsatz übrigbleibt. Liegt ein Verlust vor, spricht man auch vom Jahresfehlbetrag. Je höher der Nettogewinn, desto profitabler agiert das Unternehmen. Aber Vorsicht: Die Aussagekraft des bloßen Nettogewinns ist begrenzt – hohe Nettogewinne heißen nämlich nicht, dass ein Geschäftsmodell rentabel ist. Du weißt z.B. nicht, wie viel Kapital eingesetzt wurde. Gerade für Investoren ist der Nettogewinn trotzdem relevant – er ist schließlich der Ausgangspunkt für die Dividende, die davon ausgeschüttet wird, sowie dem Gewinn je Aktie (EPS).
#6 Gewinn je Aktie (EPS)
Den Gewinn je Aktie (Earnings per Share = EPS), bzw. das Ergebnis je Aktie, erhält man, indem man den Jahresüberschuss durch die Anzahl der Aktionäre teilt. Notiz am Rande, weil ich diese Frage öfter gehört habe: EPS und der Kurs einer Aktie sind ganz verschiedene Dinge. Das EPS gibt nur an, wie viel Gewinn das Unternehmen pro Aktie erzielt – es informiert also über seine Ertragskraft. Mit dem EPS lassen sich weitere Kennzahlen zur Bewertung von Aktien berechnen, wie beispielsweise das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV). Unterschieden wird dann noch zwischen dem verwässerten (diluted) und dem unverwässerten EPS. Das kommt dadurch zustande, dass sich die Anzahl der ausgegebenen Aktien im Berichtzeitraum ändern kann – z.B. durch Aktienrückkäufe oder Kapitalerhöhungen. Im verwässerten EPS wurde das bereits berücksichtigt – oft fallen beide Kennzahlen allerdings gleich aus.
Vorjahresquartal vs. Vorquartal.
In der Regel werden die Posten, wie Umsatz etc. mit dem VorJAHRESQuartal verglichen. Wenn also im Quartalsbericht davon die Rede ist, dass die Erlöse im vierten Quartal (Q4) um 30 Prozent gewachsen sind, dann heißt das in der Regel: Die Erlöse sind im Vergleich zum vierten Quartal im Vorjahr um 30 Prozent gewachsen. Und warum wird das so gemacht? Das hat den Grund, dass viele Unternehmen eine gewisse Zyklik haben – einige Branchen haben zum Beispiel ein starkes Weihnachtsgeschäft, weshalb die Zahlen in Q4 deutlich stärker ausfallen als während des restlichen Jahres. Das VorJAHRESquartal ist nicht mit dem Vorquartal zu verwechseln – das Vorquartal von Q4 wäre nämlich Q3, bzw. das dritte Quartal desselben Jahres.
Was ist gilt als ein „gutes“ Wachstum von Umsatz, Ebitda und Co.?
Hm, gar nicht so einfach zu beantworten. Letztlich hängt es stark von der Branche, dem Unternehmen selbst und volkswirtschaftlichen Einflüssen ab, was als gesundes bzw. kräftiges Umsatzwachstum gilt. Es hilft, sich die vergangenen Geschäftsberichte durchzulesen und die Entwicklung genau anzuschauen. Wichtig ist auch, ob das Unternehmen seine eigenen Prognosen erfüllt hat – und ob es die Markterwartungen, also die Erwartungen von Analysten etc. erfüllt hat. Und genau auf die Gründe zu achten, warum es gut oder richtig mies lief.
Achtung vor Schönrechnungen in Quartalsberichten
Zum Schluss ein kleines Wort der Warnung: Natürlich versuchen die Unternehmen, ihren Quartalsbericht in ihren Präsentationen im besten Licht zu präsentieren – oft geben sie auf der ersten Seite (meist zu erreichen über den Investor Relations-Reiter auf der Webseite) die Kennziffern an, die sich besonders gut entwickelt haben. Ein unverfälschteres Bild erhälst Du, wenn Du die tatsächliche Bilanz genau unter die Lupe nimmst – statt nur die Key Takeaways zu überfliegen.
Nicht frustriert sein
Mag sein, dass Du theoretisch alles verstanden hast – das Blöde ist: In der Praxis lassen sich viele Quartalsberichte nicht nach Schema F lesen. Das liegt unter anderem auch daran, dass es verschiedenen Verfahren gibt, mit denen Unternehmen ihre GuVs erstellen – in der Regel geschieht das entweder nach dem Umsatzkostenverfahren oder dem Gesamtkostenverfahren. Außerdem weisen bestimmte Unternehmen nicht immer alle Kennzahlen, wie z.B. das Ebitda aus. Auch die zahlreichen Synonyme für die Kennzahlen sorgen mitunter für Verwirrung. Aber mit ein bisschen Übung und Erfahrung bin ich mir sicher, dass Du den Dreh schnell raus hast 😉
An den folgenden Beispielen kannst Du Dir selber ein Bild davon machen:
Beispiel-GuVs: Siltronic, BMW, Fielmann
Puh, das war jetzt alles ganz schön theoretisch. Deswegen gibt es hier zum Schluss ein paar praktische Beispiele:
#1 Beispiel-GuV: Quartalsbericht von Siltronic
Der Quartalsbericht Siltronic veranschaulicht sehr schön, wie eine GuV nach Schema F aufgebaut sein kann:

#2 Beispiel-GuV: Quartalsbericht von BWM
An der folgenden GuV von BMW (Q3 2022) siehst Du, dass das Ganze in einem Quartalsbericht aber auch anders aussehen kann. BMW führt hier zusätzlich den Free Cashflow auf (zu dem kommen wir in einer der nächsten Artikel aus unserer Serie GuV und andere Bilanzkrankheiten), außerdem wird das Ebitda nicht extra aufgeführt und beim Ergebnis je Aktie zudem zwischen Vorzugs- und Stammaktion unterschieden.

#3 Beispiel-GuV: Quartalsbericht von Fielmann
Wieder etwas anders fällt die Gewinn- und Verlustrechnung von Fielmann aus. Vielleicht wird Dir als erstes der Posten Konzerngesamtleistung ins Auge fallen – vor allem, wenn Du gesehen hast, dass sich bei Siltronic in etwa auf gleicher Stelle das Bruttoergebnis vom Umsatz befand (zur Erklärung siehe weiter oben). Das kommt daher, dass beide Unternehmen verschiedene Verfahren für die GuV verwenden. Das Bruttoergebnis wird beim Umsatzkostenverfahren ausgewiesen (siehe BMW), die Gesamtleistung beim Gesamtkostenverfahren (siehe Fielmann). In einem nächsten Artikel der Serie GuV und weitere Bilanzkrankheiten werden wir näher auf beide Verfahren eingehen 😉

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