Lieferengpässe, Verknappung von Gütern – ist das jetzt der eigentliche Grund für die Inflation?
Leber: Überlegen Sie doch mal: Sie möchten jetzt eine Flugreise planen. Die Lufthansa hat ja über 100 Flugzeuge stillgelegt. Ja, die fehlen jetzt natürlich auf den Strecken und dann habe ich eine höhere Auslastung und kann daher höhere Preise nehmen. Das ist vollkommen normal, denn das Angebot ist knapper geworden. Auch manche Gaststätten machen zu und das bedeutet letztendlich im Grunde eine engere Bestuhlung und folglich höhere Preise.
Ist das jetzt für Sie aktuell eher eine schwierige, unsichere Zeit, um als Investor an den Finanzmärkten erfolgreich zu sein?
Leber: Wir sehen momentan gewaltige Umbrüche. Allein das Thema Afghanistan bedeutet ja, dass die Amerikaner sagen: Dieser Teil der Welt interessiert uns überhaupt nicht mehr. Die Amerikaner orientieren sich also viel mehr in den Pazifik-Raum und weg von Europa. Wir stehen am Ende relativ allein da und haben recht wenig anzubieten. Das ist so eine große Verschiebung. Wir haben aber auch die ganzen großen Verschiebungen im Klimabereich. Wir haben geopolitische Dramen, wir haben diese verrückte Zins- und Schuldenpolitik. Das sind alles gewaltige Themen und in jedem Thema steckt eine Investitionschance. Also, ich mag Unsicherheit und ich mag schwierige Situationen. Denn wenn man an die richtige Stelle greift, kann man damit auch Geld verdienen. Man kann jetzt einwenden, das sei zynisch, man kann aber auch sagen: Wenn es denn eben so ist, dann nutze ich diese Situation. Und wir haben das beispielsweise an zwei Stellen genutzt: Ich erwarte ja, dass die Inflationsraten ansteigen werden. Ich habe mich also dagegen versichert mit Inflationszertifikaten. Ich erwarte zudem, dass die Kohlendioxid-Emissionsrechte teurer werden, weil ein- fach die Vermeidung von Emissionen immer teurer werden wird. Und habe mir deswegen Emissionsrechte gekauft. Und auf beide Weisen kann ich von diesen Veränderungen profitieren. Jede Krise ist auch eine Chance, die man nutzen kann.
Ist denn in diesen Zeiten des Umbruchs für Sie ein Investment in Kryptowährungen eher ein Lotteriespiel?
Leber: Ja, wenn man sagt, dass Volatilität ein Problem ist, dann ist das so. Aber für mich ist das überhaupt gar kein Thema. Kryptowährungen werden nicht mehr verschwinden. Und ich habe da selber persönlich in den Portfolios einfach drei Akzente gesetzt: Bitcoin als Aufbewahrungsmittel. Das wird bleiben, weil einfach die Unsicherheit auf der Welt zunimmt. Und jetzt haben wir im Kurs ja einen Boden gehabt vor zwei, drei Monaten ungefähr. Der Kurs zieht jetzt langsam wieder an und er wird über die nächsten Jahre weiter anziehen. Das ist Bitcoin.
Dann haben wir noch die ganzen Arbeits-Kryptowährungen. Also die Motoren sozusagen, die die Transaktionen ermöglichen, wie Ethereum zum Beispiel, werden auch an Bedeutsamkeit gewinnen. Da habe ich eben in Ethereum investiert und es gibt noch andere sehr interessante Währungen. Was ich nicht gemacht habe, ist, in diese Kunstwerke zu investieren. Diese NFTs halte ich etwas für albern.
Und das dritte Thema ist: Die Regulierung wird stärker werden bei Kryptowährungen. Und es wird Börsen geben für Kryptowährungen. Da denke ich, dass die großen, sich um Compliance bemühenden Kryptobörsen wie eine Coinbase an Bedeutung zunehmen und auch nicht verschwinden werden in den nächsten Jahren. Und darum habe ich auch Coinbase in die Portfolios mit reingenommen. Man muss differenziert hinschauen: Geldaufbewahrung, Transaktionswerkzeug und Börse. Ich glaube, bei allen dreien steht eine positive Entwicklung an.
Kryptowährungen werden nicht verschwinden. Die Nachfrage nimmt grundsätzlich zu.
Hendrik Leber
Wie schätzen Sie das Interesse von institutionellen Investoren und Unternehmen hinsichtlich eines Bitcoin-Kaufs ein? Immerhin scheint das eine große Hoffnung des Marktes zu sein.
Leber: Wir sehen zunehmendes Interesse auf breiter Front. Interessanter wird es allerdings auf staatlicher Seite, wenn mehr und mehr Staaten Kryptowährungen als Alternative zur landeseigenen Währung anbieten.
Wie versuchen Sie, dem Bitcoin einen fairen Wert zuzuordnen? Arbeiten Sie mit der Stock-to-Flow-Ratio, den Aktiven Adressen oder anderen Kennzahlen?
Leber: Leider gibt es keine wirklich plausiblen Modelle dafür. Die Relation zwischen Nutzern und Angebot ist im Grunde die einzige korrekte Methode. Im Alltag schaue ich gern auf die Stock-to-Flow-Ratio und rechne mich reich – auch wenn ich weiß, dass dies nur eine sehr oberflächliche Konstruktion ist.
Wie dürfte sich die Coinbase-Aktie entwickeln, falls es wieder einen längeren Bärenmarkt bei Bitcoin & Co. gibt?
Leber: Börsen entwickeln sich mit ihren Umsätzen, und darum wird ein Bärenmarkt auch der Coinbase-Aktie schaden. Aber: Börsen gehen selten bankrott. Wahrscheinlich wird Coinbase im Lauf der Zeit deutlich größer werden oder von einer etablierten Aktienbörse übernommen werden.
Welche Tipps können Sie Anlegern zum Timen des Kryptomarkts geben?
Leber: Ausprobieren. Jeder sollte mit einem Minibudget beginnen, einige erste Investments über eine echte Kryptobörse tätigen, um ein Gefühl für die Funktionsweise zu bekommen. Einschließlich einer ersten Steuererklärung mit Kryptogewinnen und -verlusten.