Hast du schon einmal zwei Millionen für einen Kaffee gezahlt? Nein? Tja, in der Hauptstadt Venezuelas kostet eine Tasse aktuell zwei Millionen Bolívar. Und das nicht, weil der Schaum dort eine vergoldete Krone trägt. Ganz im Gegenteil: Das Land steckt in einer Hyperinflation.

Die Preisentwicklung in dem südamerikanischen Land ist komplett außer Kontrolle. Der Internationale Währungsfond (IWF) prognostizierte am Montag, 23. Juli 2018 den Anstieg der Inflation bis Ende des Jahres auf eine Million Prozent. Ja, das ist eine Zahl mit sechs Nullen.

Alejandro Werner, der beim IWF für Latainamerika zuständig ist, vergleicht die Situation mit den Ereignissen in der Weimarer Republik von 1923, direkt nach dem ersten Weltkrieg. Sicherlich hast du von deinen Großeltern die ein oder andere Geschichte gehört: Uropa brachte seinen Tageslohn mit einem Koffer nach Hause. Uroma musste sofort los, um Essen einzukaufen. Und oft hat der komplette Kofferinhalt nur für einen Laib Brot gereicht; und am nächsten Tag nicht einmal mehr für das.

Stell dir vor, du bekommst nichts mehr für dein Geld

So ähnlich kann man sich die Situation in Venezuela aktuell vorstellen. Die Hyperinflation ist wie ein unbändiges Biest, sie frisst den Wert des Geldes, immer schneller und schneller. Und die Wirtschaft stürzt in einen bodenlosen Abgrund. Der IWF schätzt, dass sie in diesem Jahr um 18 Prozent einbrechen wird – das wäre das dritte Jahr in Folge mit einem zweistelligen Rückgang. Zum Vergleich: In Deutschland beträgt das Wirtschaftswachstum meist zwischen ein und zwei Prozent.

Inzwischen leben 87 Prozent der Bürger in Armut, sagen die Vereinten Nationen (UN). Der Zugang zu öffentlichen Gütern wie Strom, Wasser, Transport, Sicherheit oder Gesundheitsversorgung wird immer schlechter. Und auch Lebensmittel, die mit subventionierten Preisen kaufbar sind, sind knapp. Viele fliehen ins Ausland, laut dem Roten Kreuz sind allein in Kolumbien über eine Million Venezuelische Flüchtlinge.

Ob die Inflationsrate tatsächlich eine Million Prozent beträgt, weiß man nicht. Es ist eine reine Schätzung. Denn die Regierung publiziert schon seit 2016 keine Zahlen mehr. Nur die Opposition tut das hin und wieder: Anfang Mai lag sie demnach bei 13.000 Prozent, Ende Mai bei 24.000.

Schauen wir uns noch einmal den Kaffee vom Anfang an. Die amerikanische Nachrichtenagentur Bloomberg dokumentiert die Preissteigerung mit ihrem „Cafe-Con-Leche-Index“. Dazu fragen sie bei einer Bäckerei in der Hauptstadt Caracas nach, was ein Kaffee kostet. Am 23. Mai bekam man den Kaffee für 380.000 Bolívar, am 27. Juni für 800,000 und am 25. Juli für 2 Millionen.

Wie kam es zu der Hyperinflation?

Zunächst einmal: Inflation bedeutet Geldentwertung. Das ist der Fall, wenn du dieses Jahr für dein Eis 90 Cent pro Kugel zahlst und im nächsten Sommer schon 1,10 Euro. An sich ist das in einer wachsenden Wirtschaft ganz normal – solange die Löhne mitsteigen.

Von einer Hyperinflation spricht man, wenn die Inflation sehr schnell und unkontrollierbar wird. Die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes nimmt rasant zu, denn jeder Konsument möchte sein Geld so schnell wie möglich wieder ausgeben. Man weiß ja nicht, was man morgen dafür bekommt.

Meist entsteht das in Volkswirtschaften, in denen Krieg oder Bürgerkrieg herrscht. Dann gibt es oft unterschiedliche Faktoren:

  • Oft sind die Wirtschaftskreisläufe unterbrochen, weil durch den Krieg keine Waren mehr geliefert werden – die Nachfrage aber bleibt.
  • Die Zentralbank bringt mehr Geld in Umlauf, aber es gibt nicht mehr Güter. Die Folge: Die Preise steigen.
  • Zur Ausgabendeckung häuft die Regierung immer höhere Schulden an. Das Vertrauen in die Währung sinkt.

Im Fall Venezuela sieht es so aus: Obwohl in dem Land die größten Ölreserven der Welt liegen, leidet es seit Jahren unter Misswirtschaft, Korruption und dem niedrigen Ölpreis. Der IWF schätzt, dass die Regierung unter Präsident Nicolás Maduro ihre Haushaltsdefizite, also ihre Schulden, weiter durch die Erhöhung der Geldmenge finanziert. Sie druckt also immer weiter Geldscheine. Das werde die Inflation noch weiter anheizen.

Gibt es einen Ausweg aus der Hyperinflation?

Auf eine Hyperinflation folgt immer eine Währungsreform. Diktator Nicolás Maduro will die bisherige Währung Bolívar Fuerte mit der Bolívar Soberano ablösen. Dazu wollte er ursprünglich drei Nullen streichen. Wirtschaftsreformen oder sonstige Maßnahmen hat er jedoch nicht geplant. Die Währungsreform hat er nun jedoch schon zweimal verschoben: Von Juni auf den 4. August und nun am Mittwoch (25. Juli 2018) auf den 20. August. Nun sollen fünf Nullen wegfallen.