Normalerweise wollen ja viele Unternehmen unbedingt an die Börse. Vor allem aktuell gibt es viele Börsengänge. Doch warum wollen sich mache Unternehmen von der Börse zurückziehen? Was das für Anleger bedeutet und was ein Delisting genau ist, fassen wir hier für dich zusammen
Was ist ein Delisting?
Delisting bedeutet, dass ein Unternehmen sich von einer Börse zurückzieht. Die Aktien dieses Unternehmens werden dann an dieser Börse nicht mehr gehandelt. Es ist möglich, dass ein Unternehmen sich zu unterschiedlichen Zeitpunkten von unterschiedlichen Börsen zurückzieht oder die Notierung nur an ein paar Börsen aufgibt. Osram Licht zum Beispiel war an der Frankfurter Börse schon seit dem 1. Juli dieses Jahres nicht mehr handelbar, an der Münchner Börse endet die Notierung voraussichtlich am 30. September.
Es gibt auch das sogenannte Downlisting: Dabei verlässt die Aktie den regulierten Markt, ist aber weiterhin im weniger stark regulierten Freiverkehr einer Börse handelbar. Im Fall von Osram ist es so, dass Anleger die Aktie im Freiverkehr der Hamburger Börse noch handeln können.
Wichtig zu wissen: Die Hauptversammlung muss dem Delisting nicht zustimmen. Denn das ist ganz einfach eine Entscheidung der Geschäftsführung, an der die Aktionäre nicht beteiligt werden müssen. Das Unternehmen muss allerdings in einer Ad-hoc-Mitteilung über das anstehende Delisting informieren.
Gründe für ein Delisting
Warum machen Unternehmen so etwas? Es ist doch gut, an der Börse Geld einzusammeln, oder? Manchmal genügt das dem Unternehmen aber nicht, die Aktie findet nicht so viel Beachtung wie gewünscht und dann kann die Geschäftsführung die Kosten einer Börsennotierung für zu hoch befinden: Die kommt nämlich mit umfassenden Transparenzpflichten. Ein börsennotiertes Unternehmen muss nach genauen Vorgaben Quartals- und Geschäftsberichte erstellen und die Hauptversammlung organisieren – wer sich von der Börse zurückzieht, kann Kosten sparen.
Es kann natürlich auch passieren, dass ein Unternehmen seinen Pflichten nicht nachgekommen ist und die Aktie deshalb von der Börsenaufsicht aus dem Handel geworfen wird.
Ein anderer Grund kann eine Übernahme sein. Wenn zum Beispiel ein neuer Mehrheitseigentümer das Unternehmen in sein eigenes Unternehmen integrieren will, bietet sich ein Delisting an.
Auch wenn das Unternehmen insolvent geht und sich ein neuer Großinvestor findet, der das Unternehmen wieder neu aufbauen will, kann es gut sein, dass er ein Delisting veranlasst. So kann der Aufbau geschehen, ohne dass die Öffentlichkeit ganz genau zuschaut.
Was bedeutet ein Delisting für Anleger?
Meistens nichts Gutes. Auf Kursgewinne der kommenden Jahre kann man dann zumindest nicht mehr hoffen. Laut Gesetz muss Aktionären ein Übernahmeangebot gemacht werden, das erst von der Bafin gebilligt werden muss. Dieses Angebot muss mindestens dem Durschschnittskurs der vergangenen sechs Monate entsprechen. Aber häufig sorgt das für Ärger bei den Anlegern. Denn wie wir alle wissen, kann sich der Aktienkurs in sechs Monaten schon stark verändern, und so kann der Durchschnittskurs auch deutlich unter dem aktuellen Kurs liegen. Meistens zahlen Unternehmen nicht mehr, als gezahlt werden muss.
Wenn das Unternehmen in den sechs Monaten allerdings Meldungen nicht veröffentlicht oder den Markt manipuliert hat, wird zur Bestimmung des Angebots eine Unternehmensbewertung vorgenommen.
Wenn die Ankündigung des Delistings kommt, ist es häufig schon zu spät, um die Aktie noch gewinnbringend zu verkaufen. Denn warum sollte noch jemand teuer die Aktie kaufen wollen, die bald gar nicht mehr handelbar sein wird? Deshalb nehmen Aktionäre häufig das Übernahmeangebot an. Anleger müssen es natürlich nicht annehmen, aber wenn sie es nicht tun, bleiben sie auf einer kaum handelbaren Aktie sitzen.
Im Fall, dass das Delisting kein komplettes Delisting ist, sondern an mindestens einer Börse nur ein Downlisting, ist die Aktie dann immerhin noch im Freiverkehr einer Regionalbörse handelbar – doch dort sind die Umsätze meistens sehr gering, eine Preisfeststellung kann schwierig werden und es ist nicht immer möglich, die Aktie zu einem guten Preis loszuwerden. Außerbörslich lassen sich Aktien noch schwieriger verkaufen. Es gibt Unternehmen, die genau auf solche Aktien spezialisiert sind und sie ankaufen. Allerdings sollten Aktionäre sich gut informieren und nicht unbedingt das erstbeste Angebot annehmen, sondern Angebote vergleichen.
Wer seine Aktie trotz anstehendem Delisting nicht verkaufen will, braucht Durchhaltevermögen: Eventuell erhöht das Unternehmen sein Übernahmeangebot noch mal, um die letzten Aktien zurückzubekommen. Besitzt das Unternehmen wieder 95 Prozent der Aktien, kann es über einen Squeeze-Out die restlichen Aktionäre herausdrängen – da kann der Übernahmepreis aber juristisch angefochten werden.
Was sollten Anleger tun?
Falls man es schafft, vor dem Kurssturz zu verkaufen, ist das gut – falls nicht, ist man gut beraten, das Übernahmeangebot nicht sofort anzunehmen, sondern erst einmal eine Weile abzuwarten: Vielleicht wird das Angebot ja noch erhöht. Bei Osram ist das gleich mehrfach vorgekommen. Dann ist der Verlust vielleicht nicht ganz so groß. (Apropos Verlust: Eventuell kannst du deinen Verlust steuerlich absetzen – aber das ist ein zu großes Thema, um es hier komplett abzuhandeln.)
Gut zu wissen: Wer seine Aktien behält, behält auch seine Rechte als Aktieninhaber und hat weiterhin seinen Dividendenanspruch und sein Stimmrecht. Ob es die Schwierigkeiten mit dem Verkaufen einer unnotierten Aktie wert sind, die Aktie zu behalten und auf Dividenden und einen besseren Preis in der Zukunft zu hoffen, muss jeder für sich entscheiden.
Fazit: So ein Delisting ist meistens keine gute Sache für Anleger. Es ist auch nicht so richtig spaßig, von einer Null im Depot überrascht zu werden. Deshalb ist es wichtig, sich regelmäßig über die eigenen Aktien zu informieren, damit man ein Delisting nicht verpasst. (Und natürlich auch, damit man andere Entwicklungen bei seinen Aktien nicht verschläft.) In diesem Sinne: Los! Check dein Depot! Und gutes Investieren 😉
Foto: Adobe Stock/bonninturina